Der Zauberer von OZG

Wie viele Dienstleistungen der Öffentlichen Verwaltung können seit etwa einem Jahr auch Bafög-Anträge online eingereicht werden, über die Plattform Bafög-Digital. Wieder ein Meilenstein auf dem Weg zur Digitalisierung unseres Landes. Tatsächlich schreibt das Online-Zugangsgesetz – kurz OZG – vor, dass bis Ende 2022 sämtliche Dienstleistungen des Staates (Bund, Länder und Kommunen) dem Bürger online zur Verfügung stehen, wodurch sich die meisten Behördengänge erübrigen sollten. Dabei handelt es sich also nicht etwa um eine Empfehlung; das OZG ist ein Gesetz.

Leider war in einem Artikel von Golem.de kürzlich zu lesen, dass es in den zuständigen Bafög-Ämtern mittlerweile zu Papierknappheit gekommen ist. Der Grund ist recht einfach: Alle online eingereichten Anträge müssen dort erst einmal ausgedruckt werden, um weiterverarbeitet werden zu können, und dafür musste noch eigens zusätzliches Personal angestellt werden. Schauen wir im Online-Zugangsgesetz noch einmal genauer nach, so stellen wir fest, dass von einer durchgehenden digitalen Verarbeitung der Vorgänge keine Rede ist; lediglich der Zugang soll online möglich sein. Im Klartext: Statt über ein Papierformular werden alle Anträge nun per Online-Formular erfasst. Fertig!

Dorothy im OZG-Land

Wer dies überraschend findet, hat sich mit dem Thema Digitalisierung der deutschen ÖV bisher nicht beschäftigen müssen. Ihm geht es vielleicht wie dem Mädchen Dorothy, dass es in dem Filmklassiker „Der Zauberer von Oz“ in ein fernes magisches Land verschlägt und nun den Weg nach Hause sucht. Es hört vom Zauberer von Oz, der ein mächtiger Magier sein soll, und beschließt, ihn um Hilfe zu bitten. Nach zahlreichen Abenteuern erreicht Dorothy mit ihrem kleinen Hündchen Toto und drei mehr oder weniger tapferen Begleitern, die sie unterwegs trifft, schließlich das Schloss des Zauberers, wo sie von einer furchteinflößenden Erscheinung des Zauberers empfangen wird. Viel grüner Rauch, große Flammen und weitere Spezialeffekte zeugen von mächtiger Magie, doch Hilfe bekommt Dorothy nicht, bis der neugierige Toto einen Vorhang öffnet, hinter dem sich ein älterer Herr versteckt, der über eine komplizierte Apparatur mit vielen Hebeln die Illusion der Zauberei erzeugt. Eine ziemlich große Enttäuschung für Dorothy: simple Mechanik, Theaterdonner und grüner Qualm statt wundersamer Magie! So hatte sie sich das nicht vorgestellt.

Zurück in Kansas

Trotz aller Probleme schafft es Dorothy am Ende zurück nach Hause, auf die Farm der Eltern im ländlichen Kansas, wo man von Digitalisierung noch weit entfernt ist. Und das ganze Abenteuer entpuppt sich als ein Traum, oder etwa nicht. So sicher sind wir am Ende des Films nicht. Wir haben jedenfalls gelernt, auf einen Schein nicht allzu viel zu geben. Der Zauberer von Oz ist im Grunde kein übler Kerl, nur hat er von Zauberei eben keine Ahnung und behilft sich mit allerhand Tricks.

Ähnlich läuft es mit der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Unter dem Druck, den Bürgern zu allen Behördendienstleistungen auch einen Online-Zugang zu verschaffen, griff man auf die einfachste Lösung zurück: Mit Hilfe von Formular-Management-Systemen wird schnell ein Formular gebastelt und im Internet präsentiert. Die weitere Verarbeitung läuft dann wie gehabt weiter; nur muss das Formular eben noch einmal ausgedruckt werden. Mehr sieht das OZG auch nicht vor.

Seien wir nachsichtig mit dem Zauberer, denn er tut, was er kann.

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert